Rekuperation

Potentialermittlung


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 Unterscheidung

1. Wie kann das maximale Potentials einer Rekuperationsbremse praktisch ermittelt werden?

Streng genommen ist die Frage noch zu ungenau formuliert und es müssen noch zwei Unterscheidungen getroffen werden.

1.1 Maximales Potential bei Bergabfahrten, die elektromagnetische Bremse soll die Fahrgeschwindigkeit konstant halten.

1.2 Maximales Potential beim Anhalten, die elektromagnetische Bremse soll die Fahrgeschwindigkeit auf 0 km/h absenken. Dieses Ergebnis ist insbesondere für Stadtfahrer mit häufigem Stop & Go interessant.

 

 Entscheidung

2. Was wurde getestet?

Ausgangspunkt für die Anschaffung meines Hybridrades war ein 4 tägiger Muskelkater nach einer Tagestour von 180 km. Dabei war die Gesamtlänge der Strecke gar nicht das eigentliche Problem. Den Muskelkater hatte ich den 3800 Höhenmetern zu verdanken. Diese Erfahrung führte zu leichten Bedenken bezüglich der Überschreitung der eigenen Leistungsfähigkeit bei einer geplanten Radreise mit Fahrradanhänger in die Berge Norwegens. Die Bedenken waren erst wieder verschwunden, als ich 2008 auf Hybridräder aufmerksam wurde. Da ich Berg- und Talfahrten den Stadtfahrten mit Abgasbelastung bevorzuge, entschied ich im ersten Test, das unter 1.1 aufgeführte maximale Potential einer Rekuperationsbremse bei Bergabfahrten zu ermitteln.

 

 Einflüsse

3. Welche Einflussfaktoren könnten die Testergebnisse erheblich verfälschen?

3.1 Eine zu große Ladestromstärke könnte ein zu niedriges Potential ergeben, weil der angebotene Strom nicht in vollem Umfang vom Akku aufgenommen werden kann oder der Generator überhitzt.

3.2 Ein zu großer Akkufüllgrad könnte ebenfalls ein zu niedriges Potential ergeben, weil der angebotene Strom mit zunehmenden Ladegrad immer schlechter vom Akku zur Steigerung des Ladegrades aufgenommen wird.

3.3 Bei der Ermittlung des Potentials bei Bergabfahrten kann sich darüber hinaus ein zu niedriges Potential ergeben, wenn die Bergabfahrt mit zu hoher Geschwindigkeit erfolgt. In diesem Fall würde der quadratisch mit der Geschwindigkeit ansteigende Luftwiderstand den Effekt der Energierückgewinnung beim Bremsen reduzieren.

3.4 Ein zu niedriges Potential der Rekuperationsbremse kann sich auch noch durch eine nicht optimale Auslegung der Komponenten des Test- bzw. Hybridrades ergeben.

 

 Testobjekt

4. Womit wurde getestet?

Als Test- bzw. Hybridrad verwendete ich ein 28" ATB mit nachgerüstetem BionX System. Dieses Hybridrad ermöglichte mir bisher bei allen Bergabfahrten in meiner Gegend ohne Einsatz einer gewöhnlichen Bremse die Geschwindigkeit verschleißlos zu regeln bzw. den Akku wieder aufzuladen. Im Generatormodus standen dazu 4 per Knopfdruck einstellbare Stufen zur Verfügung.

 

 Festlegungen

5. Welche Testbedingungen wurden festgelegt?

Als erstes war ich bestrebt, die unter 3. aufgeführten verfälschenden Einflussfaktoren so gut wie möglich auszuschließen. Auf die einzelnen Fälle bezogen wählte ich folgende Maßnahmen:

Zu 3.1:

Die Geschwindigkeitsregelung auf der Gefällestrecke sollte kein Einschalten des stärksten Generatormodus erfordern. Eine extrem starke Gefällestrecke schied damit als Teststrecke aus.

Zu 3.2:

Um eine mögliche Abhängigkeit des Energierückgewinnungspotentials vom Akkufüllgrad zu ermitteln, wurden zu 5 verschiedenen Akkufüllgraden jeweils mindestens 3 Testfahrten ausgeführt.

Zu 3.3:

Eine Erhöhung der Reichweite durch Energierückgewinnung um jeden Preis fand ich nicht sinnvoll. Folgende zwei zusätzliche Bedingungen sollten deshalb ebenfalls erfüllt sein.

a) Die Durchschittsgeschwindigkeit bei Bergabfahrten sollte nicht unter der Durchschnittsgeschwindigkeit für die Bergauffahrt liegen. Ich peilte als Zielgeschwindigkeit für die Bergabfahrten meine durchschnittliche Geschwindigkeit bei Radtouren in der Ebene an. Das Ergebnis sollte dann meinem eigentlichen Wunsch, bei konstanter Anstrengung ohne Überanstrengung mittels Rekuperation insgesamt weiter voranzukommen am nähesten kommen.

b) Die Bergabfahrten sollten entspannend und nicht anstrengend sein. Das heißt das zwar ein erholsames Mittreten bei den Abfahrten möglich war, aber ein kräftiges Mittreten in einem dann entsprechend höherem Generatormodus zu unterlassen war. Ein zu kräftiges Mittreten bei Bergabfahrten kann leicht daran erkannt werden, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit bei den unmittelbar nachfolgenden Bergauffahrten merklich zurückgeht.

Zu 3.4:

Da mir keine alternativen Testsysteme zur Verfügung standen, kann ich zur Zeit leider keine Aussage treffen, ob das Testsystem dem Optimum der Energierückgewinnung sehr nahe kommt oder noch ein deutliches Verbesserungspotential besteht.

Eine weitere Bestrebung bei der Festlegung der Testbedingungen war, häufig auftretende reale Bedingungen zu bevorzugen. Konkret bedeutete dies, eine für meine Gegend typische Gefällestrecke auszuwählen. Dabei sollte eine möglichst gleichmäßige Gefällestrecke bevorzugt werden. Bei der Wahl der Teststrecke wollte ich weiterhin Straßen bevorzugen, die überwiegend durch Waldgebiete verliefen. Davon versprach ich mir einen geringeren Einfluss auf die Messergebnisse durch die Störgrößen Wind und Sonne. Ein Verlauf der Teststrecke im Schatten reduziert schließlich schon mal mögliche Überhitzungstendenzen beim Testfahrer und anschließende Leistungseinbrüche bei den Berg- und Talfahrten. Um Erschöpfungseinflüsse des Testfahrers gering zu halten, wurden pro Tag nur 3-4 Testfahrten ausgeführt.

 

 Streckenwahl

6. Welche Teststrecke wurde gewählt?

Zur Ermittlung der Vergrößerung der Reichweite durch Energierückgewinnung beim Bremsen fiel meine Wahl auf einen 2,67 km langen Straßenabschnitt. Die Teststrecke hat ein verhältnismäßig gleichmäßiges Gefälle und verläuft überwiegend im Wald. Zwischen Start- und Zielpunkt liegt ein Höhenunterschied von 129 m (ermittelt mit GPS und nochmals geprüft mit barometrischem Höhenmesser). Dies entspricht einem durchschnittlichen Gefälle von rund 4,8%.

 

 Vorgehensweise

7. Wie wurde die Reichweitenerhöhung durch Rekuperation ermittelt?

Mit einer genauen Akkuladezustandsanzeige und einem einfachen Fahrradtacho besteht eine einfache Möglichkeit, die bei Bergabfahrten gewonnene Reichweitenerhöhung durch Rekuperation zu messen.

Wer sich noch nicht so intensiv mit Messmöglichkeiten zum Rückgewinnungspotential von elektromagnetischen Bremsen beschäftigt hat, den werden jetzt möglicherweise folgende Fragen quälen. Das soll ausreichen? Wie soll das funktionieren?

Jeder der eine verlässliche Akkuladestandsanzeige, einen Fahrradtacho und ein Hybridrad mit Generatormodus besitzt, kann den Test selbst leicht ausführen bzw. eigene Bedingungen formulieren und seine möglichen Reichweitenerhöhungen ermitteln.

Beispielsweise könnten wir zunächst erst einmal den Akku leer fahren. Wenn die Akkuladezustandsanzeige nur noch einen vollen Balken anzeigt, behalten wir diese ständig im Blick. Sobald nun auch noch der letzte volle Balken verschwindet, schalten wir die Unterstützung sofort ab (wir wollen ja keine Akkutiefentladung testen) und die Elektronik komplett aus. Der Akku wird nun durch keinerlei Verbraucher mehr entladen. Dann strengen wir uns mal ohne Elektrounterstützung an, um zum Startpunkt unserer Teststrecke auf den Berg zu kommen. Oben angelangt lenken wir um und schalten unsere Elektronik wieder ein. Jetzt nehmen wir uns vor, unsere Teststrecke ohne den Einsatz einer gewöhnlichen Bremse wieder hinunter zu fahren.

Gleichzeitig nehmen wir uns eine Durchschnittsgeschwindigkeit von beispielsweise 25 km/h bei der Bergabfahrt vor. Unseren Fahrradtacho stellen wir also auf Anzeige der Durchschnittsgeschwindigkeit um bzw. setzen den aktuell eingetragenen Wert auf 0 zurück.

Wir fahren nun los und schalten den ersten Generatormodus ein, sobald wir unsere angepeilte Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht haben. Zusätzlich treten wir weiter entspannt mit. Gleichzeitig erhöhen wir den Generatormodus, sobald die Momentangeschwindigkeit über unserer angepeilten Durchschnittsgeschwindigkeit liegt. Nach kurzer Fahrstrecke im Generatormodus sollte der erste Balken unserer Akkuladezustandsanzeige wieder aufleuchten. Ist dies nicht der Fall, ist die Genauigkeit der Anzeige mangelhaft oder die Energierückgewinnung ist nicht ausgereift. Das Hybridsystem wäre dann zur einfachen Potentialermittlung der Energierückgewinnung nicht geeignet.

Fällt die Momentangeschwindigkeit unter unsere angepeilte Durchschnittsgeschwindigkeit, so verringern wir den Generatormodus wieder. Um bei konstantem Mittreten die Momentangeschwindigkeit immer in der Nähe der Durchschnittsgeschwindigkeit zu halten, kann ein häufiges Hin- und Herschalten zwischen zwei Generatorstufen notwendig werden. So musste ich bei meiner Teststrecke beispielsweise ständig zwischen Generatorstufe 2 und 3 wechseln. Mit der Zeit war dies recht lästig. Zukünftig wird es aber auch für dieses Problem eine Lösung geben, auf welche unter dem Link Weitere bereits hingewiesen wird. Zur Erzielung von Messergebnissen konnte ich die stufenweise Hin- und Herschalterei noch tolerieren. Sobald wir am Zielpunkt angekommen sind, brechen wir das Mittreten ab und schalten in die höchste Generatorstufe, um anzuhalten. Sofern das nicht zum Anhalten reicht, darf nun ausnahmsweise auch mal kurz die gewöhnliche Bremse eingesetzt werden. Wir lenken nun wieder um und stellen unseren Fahrradtacho auf Tageskilometeranzeige um bzw. setzen diese und andere Einstellungen auf Null zurück. Nun entscheiden wir uns für eine Unterstützungsstufe und stellen diese ein. Bei meiner gewählten Teststrecke mit 4,8% Steigung war Stufe 1 völlig ausreichend, um mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 23 km/h den Berg wieder hoch zu fahren. Dabei behalten wir die Akkuladezustandsanzeige ständig im Blick. Sobald unser einer bei der Bergabfahrt erkämpfte Balken wieder verlischt, merken wir uns die vom Tal bis zu diesem Zeitpunkt zurückgelegte Strecke und schalten die Elektronik wieder ab. Von nun an fahren wir ohne Unterstützung noch die restliche Teststrecke den Berg wieder hoch und setzen die mit Unterstützung gefahrene Strecke ins Verhältnis zur Gesamtstrecke und multiplizieren diesen Wert mit 100. Als Ergebnis erhalten wir die prozentuale Reichweitenerhöhung durch Energierückgewinnung für unser System und unseren Treteinsatz bei der Bergabfahrt. Wer zu verlässlicheren Durchschnittswerten zur Reichweitenerhöhung durch Rekuperation kommen möchte, sollten wenigstens noch zwei mal die gleichen Testfahrten wiederholen.

Ich möchte an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass es je nach Hybridsystem sinnvoll sein kann, nicht mit dem beschriebenen leer gefahrenem Akku auf dem Berg zu starten. In diesem Fall kann es nämlich vorkommen, dass die Unterstützung bei der Bergauffahrt durch den niedrigen Akkuladezustand nicht kontinuierlich erbracht wird und die Messergebnisse verfälscht werden.

Statt bei 0-Balken kann natürlich auch bei 1-Balken gestartet werden. Dabei muss natürlich darauf geachtet werden, dass sofort nach Verlöschen des vorher noch angezeigten zweiten Balken die Unterstützung abgeschaltet und die Elektronik bis zum Erreichen des Startpunktes komplett ausgeschaltet werden sollte. Mit meinem System konnte ich auf diese Weise recht konstante Ergebnisse zur Reichweitenerhöhung produzieren. Dies kann anhand des Diagramms mit den gebildeten Mittelwerten recht gut abgelesen werden (unter dem Link Testergebnisse).

 

 Stop & Go

8. Test des Einflusses von Energierückgewinnung bei Stop & Go

Der zweite Test sollte den unter 1.2 definierten Einfluss der Energierückgewinnung bei Stadtfahrten mit häufigem Stop & Go ermitteln. Bereits beim ersten Test gewonnene Erkenntnisse wurden bei der Festlegung der Testbedingungen für die Stop & Go Untersuchung berücksichtigt. Abweichend zum ersten Test wurde aber eine ebene Teststrecke ausgewählt.

Bei den Stop & Go Tests erschien es mir auch nicht praktikabel, eine Reichweitenvergrößerung wie bei den Bergabfahrten zu ermitteln. Stattdessen hielt ich es für sinnvoll die Anzahl der Stop & Go Vorgänge mit und ohne Energierückgewinnung zu einer bestimmten Teilkapazität des Akkus zu ermitteln.

 

 Ausführung

9. Wie wurden die Stop & Go Tests ausgeführt?

Zur Vorbereitung des Stop & Go Tests wählen wir auf der Akkuladestandsanzeige einen Balken, den wir vollständig für unsere Stop & Go Tests aufbrauchen werden. Von den 6 1/2 angezeigten Balken wählen wir beispielsweise den 5. Balken aus. Dazu fahren wir zunächst mit Elektrounterstützung und behalten die Akkuladezustandsanzeige ständig im Blick. Sobald in der Akkuladeanzeige der 6. Balken verlischt schalten wir die Elektrounterstützung aus und die Elektronik ab. Der Akku wird nun durch keine Verbraucher mehr entladen. Jetzt fahren wir ohne Unterstützung zu unserer ebenen Teststrecke.

Auf der Teststrecke angekommen beginnen wir unsere Stop & Go Tests. Wir sollten uns zu Testbeginn darüber im klaren sein, dass die Stop & Go Tests unsere Geduld bis an den Rand strapazieren werden. Aber wir wollen es ja genau wissen und da müssen wir jetzt durch. Wir schalten also die Elektronik wieder ein und wählen eine Unterstützungsstufe für den Anfahrvorgang. Mir persönlich reichte die Unterstützungsstufe 1. Jetzt treten wir in die Pedale und beschleunigen. Sobald wir unsere Zielgeschwindigkeit (beispielsweise 25 km/h) erreicht haben schalten wir die Unterstützung ab, hören auf mit treten und bremsen das Rad ausschließlich mit der mechanischen Bremse ab. Diesen Vorgang wiederholen wir nun so oft (und zählen mit), bis der von uns ausgewählte 5. Balken in der Akkuladeanzeige verlischt. Die nun von uns ermittelte Stop & Go Anzahl ergibt den Ausgangswert ohne Energierückgewinnung.

Um nun noch die Stop & Go Anzahl mit Energierückgewinnung zu ermitteln, müssen wir zunächst unseren Akku wieder aufladen. Nur so können wir weitgehend identische und vergleichbare Testbedingungen garantieren. Schließlich können wir keineswegs sicher sein, dass der 4. Balken der Akkuladeanzeige der gleichen Teilkapazität des Akkus entspricht wie der 5. Balken.

Nachdem wir den Akku aufgeladen haben, gehen wir wieder genau so vor, wie bei den Stop & Go Tests ohne Energierückgewinnung. Lediglich an der Stelle, nach dem Beschleunigen auf unsere Zielgeschwindigkeit, bremsen wir das Rad nicht mit der mechanischen Bremse ab, sondern schalten zum Anhalten in den Generatormodus. Ich wählte dazu die 3. Stufe des Generatormodus.

 

 Optimierung

10. Wie könnten die Testbedingungen noch verbessert werden?

Selbstkritisch möchte ich noch folgendes anmerken. Nach Abschluss der mehr als 15 Berg- und Tal-Testfahrten fiel mir noch eine weitere Möglichkeit ein, wie ich die Konstanz der Testergebnisse noch weiter hätte erhöhen können. Durch die Messung der Pulsfrequenz und die Vorgabe eines Zielkorridors hätte der Einfluss des Testfahrers auf die Messergebnisse noch weiter verringert werden können.

 

Wenn jemand noch weitere Anregungen zu Festlegungen für Testbedingungen geben möchte, freue ich mich auf eine Nachricht.

 

 
 
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